Karrierekolumne

Karrierekolumne aus den "Nachrichten aus der Chemie"

Philipp Gramlich und Karin Bodewits sind Gründer von Natural Science Careers – ein Unternehmen für Karriereberatung und Soft-Skill-Seminare für Naturwissenschaftler:innen. Für die Nachrichten aus der Chemie schreiben beide über Beobachtungen aus ihrer Beratungstätigkeit.

 

Heft 04/23 Die Idealismus-Gehaltsschere

In einem Karriereworkshop besprechen wir, wie eigene Werte die Berufswahl beeinflussen. Die Frage, ob Idealismus ein Auswahlkriterium sein kann oder sogar muss, erregt die Gemüter. „Für kein Geld der Welt möchte ich an marginalen Verbesserungen von Lifestyle-Produkten arbeiten,” verkündet Rodrigo. „Na, wenn Du für eine NGO arbeitest, musst Du halt in Deiner WG wohnen bleiben,” erwidert Karsten spöttisch. „Ist das wirklich so?”, erkundigt sich Frederieke, „Je idealistischer ein Job ist, desto schlechter wird er bezahlt?“ 

Wie so oft ist die Antwort Ja und Nein. Die bestbezahlten Jobs sind da, wo viel Geld gemacht wird, etwa bei Großkonzernen. Diese Organisationen haben das Ziel, möglichst viel Geld zu verdienen, bei Aktiengesellschaften ist das sogar eine Verpflichtung. Sind diese Jobs deswegen weniger idealistisch? Sicherlich nicht immer. Wenn Arbeit dort dazu beiträgt, Prozesse effektiver und damit meist auch nachhaltiger zu gestalten, kann das sehr wohl ein positiver Beitrag sein. 

Manchmal können Chemiker das Thema beeinflussen, an dem sie arbeiten. Ein Hebel ist der Fachkräftemangel, der langsam in Lebenswissenschaften und Chemie ankommt. Ihre Arbeitskraft schließt eine Lücke. Sie haben in der Hand, für welchen Arbeitgeber Sie sich entscheiden: bei X Shampoos verbessern oder bei Y auf nachhaltige Rohstoffquellen umstellen. 

Nichtregierungsorganisationen haben in der Regel weniger Geld als Konzerne und sind durch ihre Statuten daran gebunden, keine übertriebenen Gehälter zu zahlen. Das heißt aber nicht, dass alle Tätigkeiten im Non-profitBereich schlecht bezahlt sind. Gehälter in internationalen Organisationen können durchaus mit der Industrie mithalten. 

„Mit einem Abschluss in Chemie sind Sie in einer Luxussituation”, fasse ich die Diskussion zusammen. Selbst moderate Gehälter erlauben es Ihnen, aus der WG auszuziehen und eine Familie zu gründen. Sie können ohne finanzielle Not entscheiden, wo und wie Sie arbeiten möchten. Einen Unterschied bei gesellschaftlich relevanten Fragen können Sie mit Ihrer Berufswahl und Ihrem Engagement bei der Arbeit machen.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers
 

Heft 03/23 Tun oder reden?

„Klar ist Wissenschaftskommunikation wichtig”, sagt Teilnehmer Wolfgang in einem Karriere-Workshop. „Aber als Chemiker werde ich fürs Problemlösen bezahlt. Kommunikation übernimmt – zumindest bei einem Großkonzern – die PR-Abteilung.” 

Werden wir fürs Tun oder fürs Reden bezahlt, oder müssen wir beides können? Ist Wissenschaftskommunikation ein eigener Berufszweig für Leute, die den Problemlöser:innen diese Tätigkeit abnehmen? Oder etwas, das zum Alltag aller Wissenschaftler:innen gehört? 

In allen Berufszweigen müssen wir kommunizieren können, und das immer angepasst an die jeweilige Situation. Das gilt auch für diejenigen, bei denen das nicht explizit in der Berufsbezeichnung steht. 

Die Kommunikation mit Wissenschaftler:innen des eigenen Spezialgebiets an der Hochschule ist nur ein Teil des Ganzen: Auf speziellen Konferenzen müssen Sie ein gutes Bild abgeben. Ihre Publikationen beurteilt ein kleiner Kreis Ihrer fachlichen Nische. Bei Drittmittelanträgen ist Ihre Leserschaft bereits breiter: Sie müssen für Kolleg:innen aus anderen Fachbereichen verständlich und relevant erscheinen. Wenn Sie Kooperationen beginnen, dann meist außerhalb Ihrer Kernkompetenz. Ganz mutige Wissenschaftler:innen stellen sich der Quelle ihrer Gelder, den Steuerzahler:innen, und kommunizieren mit Laien. 

Außerhalb der Hochschule ist der Schritt aus unserer hoch spezialisierten Umgebung heraus meist abrupt. Die Fähigkeit, Ihre Arbeit vor einer Chefin zu rechtfertigen, die einen Abschluss im Finanzwesen oder als Juristin hat, fällt nicht vom Himmel, sondern Sie müssen sie sich erarbeiten. Ebenso sind die Hintergründe Ihrer Kolleg:innen und externer Kontakte wie Kunden oder Zulieferer oft breiter gestreut als an der Hochschule. 

Wir alle müssen also in unserem Berufsleben über unsere Arbeit sprechen, ob wir das wollen oder nicht. Keine PR-Abteilung nimmt uns diese Arbeit ab. Die gute Nachricht ist: Den meisten macht es Spaß, sobald sie sich darauf einlassen. Es geht ja nicht darum, etwas plump zu vereinfachen, sondern die Bedeutung unseres Themas einer bestimmten Zielgruppe verständlich zu machen. Das zu erreichen, verschafft Genugtuung. 

Sie werden in Ihrem Beruf fürs Tun und fürs Reden bezahlt. Versuchen Sie also, beides zu beherrschen.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 02/23 Wer braucht schon eine Stellenanzeige?

In einem Workshop diskutieren wir, welche Wege es gibt, sich zu bewerben. Die meisten Bewerbenden wählen den klassischen Weg, die Reaktion auf eine Stellenanzeige. Gabrielle eröffnet die Diskussion: „Ich habe gehört, dass ich mich auch initiativ bewerben kann.“ „Und ich habe gehört, dass das Schwachsinn ist,” erwidert Theo wenig diplomatisch, „habt Ihr nicht Dr. Neubauer bei der Podiumsdiskussion des Karrieretags gehört? Sie hat gesagt, man solle nicht seine eigene Zeit und die des Unternehmens verschwenden.” „Für welche Firma arbeitet Dr. Neubauer?”, erkundige ich mich. „Bei einer riesigen Pharmafirma, die sollte das wissen.” 

Offene Bewerbungen können für große Firmen schwer zu handhaben sein: Wohin soll die Personalabteilung diese schicken? Bleibt das unklar, sind offene Bewerbungen meist Zeitverschwendung. Bei Mittelstand und Start-ups sieht es hingegen anders aus: Diese sind weniger sichtbar als die Großen und müssen deshalb viel weniger Bewerbungen handhaben. 

Eine offene Bewerbung zu schreiben, ist schwieriger, als auf eine Stellenanzeige zu reagieren. Ihr fehlt das Gerüst, mit dem Sie die Bewerbung strukturieren können. Sie sollten also überlegen, wie eine plausible Stellenanzeige aussehen könnte. Deren Inhalt konstruieren Sie sich aus Anzeigen für ähnliche Positionen derselben Firma oder eines Konkurrenten. Schreiben Sie Ihre Bewerbung für dieses hypothetische Szenario und erwähnen am Ende des Anschreibens, für welche Arten von Stellen Sie offen wären. Dabei sollten Sie eine plausible Breite an Positionen andeuten: Sie wollen weder als unflexibel noch als verzweifelt wahrgenommen werden. 

An Theos Stirn kann ich ablesen, dass er nach Argumenten sucht, um seine Aussage zu verteidigen. „In vielen Fällen gibt es gar keine Chance auf eine Stelle, sonst würde die doch ausgeschrieben”, wirft er ein. Mir persönlich ist es zweimal passiert, dass ich einen Hinweis bekam: Firma X will in naher Zukunft eine Stelle besetzen. In beiden Fällen bewarb ich mich, ohne dass die Stellen ausgeschrieben waren und – Überraschung – erhielt ein Angebot. 

„Ohne Netzwerk und die Tipps daraus sind offene Bewerbungen in der Tat ein hartes Pflaster”, versöhne ich die Aussagen von Gabrielle und Theo. Bei Bewerbungen auf Stellenanzeigen kann es schwierig sein, hervorzustechen. Bei Initiativbewerbungen müssen Sie herausfinden, wer sich überhaupt für Sie interessieren könnte.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 01/23 Probe und Gegenprobe

In einem Karriereworkshop besprechen wir Anschreiben. Georg hat seine Bewerbungsunterlagen mitgebracht, die wir gemeinsam analysieren. 

„Ich bin ein enthusiastischer und breit interessierter Chemiker …”, lese ich vor. „Ich würde gerne für Ihre Firma arbeiten, die bekanntermaßen führend im Bereich der responsiven Polymere ist.” Georg springt gleich in die rhetorische Pause, die ich nach den beiden Sätzen lasse. „Ich finde es sehr schwer, mich selbst zu loben, die Arbeitgeber zu loben. Ich habe das Gefühl, ich schreibe nur Allgemeinplätze.” 

Georg hat recht und ist damit nicht alleine. In den meisten Anschreiben steht ein Abschnitt, den viele Bewerbende als verpflichtendes, gegenseitiges Bauchpinseln empfinden. Das muss nicht sein. 

Selbstlob ist nicht nötig, wie in der Kolumne „Show, don‘t tell” (Nachr. Chem. 2019, 67(3), 23) beschrieben. Denken Sie eher in die Richtung: Welche Verbindung gibt es zwischen mir und dem Arbeitgeber? Was habe ich, das kein anderer hat? Und: Was bietet dieser Arbeitgeber, das andere kaum bieten? Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten können, sollten Sie noch Zeit in Selbstanalyse und Recherche stecken. Sonst erhalten Sie im schlimmsten Fall das Angebot eines Arbeitgebers, der nicht zu Ihnen passt. 

„Aber wie kann ich wissen,“ entgegnet Georg, „dass ich wie eine Person mit authentischem Interesse an genau dem Arbeitgeber klinge?” 

Um das herauszufinden, nehmen Sie zuerst die Hauptaussagen unter die Lupe, mit denen Sie sich selbst beschreiben und machen ein Gedankenexperiment: Könnte Ihre Labornachbarin genau denselben Satz schreiben? Das ist der Fall bei Sätzen wie: „Ich habe großes Organisationstalent“. Hier nennen Sie nur ein lebloses Attribut, geben der Leserschaft aber keinen Grund, Ihnen zu glauben. Wenn Sie aber schreiben: „Bei meiner Mitwirkung beim Organisations-Team für die Online-Konferenz XYZ lernte ich, welche Fallstricke zu überwinden sind, wenn Teilnehmende aus verschiedenen Zeitzonen und Kulturen zusammenkommen.“ Ein solches Erlebnis können nur wenig andere vorweisen. 
Dann machen Sie den gleichen Test für Ihre Aussagen zum Arbeitgeber. Wenn sich beispielsweise mehrere Firmen als „führend im Bereich responsiver Polymere“ beschreiben, dann müssen Sie weiter nachforschen, was diesen Arbeitgeber einzigartig macht.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 12/22 Keine Details

Ich mache ein Interviewtraining mit einer Gruppe Postdocs, die eine Karriere außerhalb der Universität suchen. „Worum geht es in Ihrer Forschung?” frage ich Afsheen. Nach fünf Minuten unterbreche ich ihre Antwort. „Sie lassen Ihre Botschaft von Details überschatten”, sage ich. „Soweit ich das verstehe, hilft Ihre Forschung dabei, dass wir in Zukunft Autos 3-D-drucken können?” Afsheen hebt ihre Augenbrauen. „Äh, ungefähr. Aber ...“ Ich unterbreche sie wieder: „Ungefähr passt, es sei denn, es stimmt wirklich nicht. Dann müssen Sie den Satz anpassen.“ „Es ist sehr vereinfacht“, murmelt sie. 

„Einfach ist gut,” entgegne ich. „Anstatt ins Detail zu gehen, fügen Sie besser noch einen Satz dazu, warum es sinnvoll ist, Autos zu drucken. Produktionsgeschwindigkeit? Kosten? So was in der Art.“ Afsheen bleibt skeptisch. „Meine Forschung dreht sich nicht um das ganze Auto, sondern nur um die Karosserie.“ „Sie können jederzeit weiter in Ihre Forschungs hineinzoomen, wenn sich jemand dafür interessiert. Aber kein Personaler möchte, dass Sie wirklich ins Detail gehen.” 

Für Wissenschaftler:innen ist es oft schwierig, etwas einfacher zu machen, als es ist. Sie arbeiten täglich an einem winzigen Puzzleteil in einem größeren Ganzen. Obendrein sind ihre Ergebnisse – aufgrund von Ausnahmen und Rahmenbedingungen – oft sehr nuanciert und ihre Geschichten darüber daher kompliziert. Wissenschaftler:innen haben jahrelang gelernt, anderen noch die letzte Dezimalstelle zu zeigen, um als kompetent zu gelten. Und bei der Kommunikation mit anderen Wissenschaftler:innen ist es wichtig, die Details sorgfältig darzustellen. 

Aber wenn Sie mit Laien sprechen, ist es Ihre Aufgabe, schnell zum Punkt zu kommen und eine Hauptaussage so zu formulieren, dass sie für das Publikum verständlich und relevant ist. Natürlich birgt das Risiken. Manche Zuhörer:innen lieben es zu meckern, wenn etwas nicht hundertprozentig stimmt. Aber Gemurre lässt sich vermeiden, wenn Sie zum Beispiel beifügen: „im Großen und Ganzen bedeutet das …“ oder „vereinfacht gesagt, ich arbeite an …“ So beruhigen Sie den kritischen Zuhörer und haben gleichzeitig bessere Chancen auf ein gutes Gespräch.

Karin Bodewits, k.bodewits@naturalscience.careers

Heft 11/22 Der Mittelpunkt der Präsentation

Ich arbeite mit einer Gruppe Doktorand:innen daran, ihre Präsentationen für einen Kongress vorzubereiten. „Für wen genau haben Sie diesen Vortrag gehalten?”, frage ich Mathieu, der gerade seine Präsentation beendet hat. Er ballerte in 14 Minuten 38 PowerPoint-Folien durch. „Für Sie“, antwortet er. „Es ist leider nicht bei mir angekommen”, sage ich. Die Präsentation erinnerte mich an jemanden, der mir kürzlich erzählt hat, er spiele Hörbücher mit 1,5-facher Geschwindigkeit ab, um mehr Bücher in kürzerer Zeit zu hören. Mein Kommentar dazu war: Es gehe nicht um die Menge an Büchern, die man liest, sondern was man daraus mitnimmt. Mathieu war viel zu schnell und viel zu ausführlich. „Außerdem wird das Publikum sich ärgern, dass Sie Ihre Redezeit überschritten haben”, schließe ich. „Was soll ich tun?“, fragt er.

Meine Antwort: „Erhöhen Sie das Signal-zu-Rauschverhältnis.” Bei einer knappen Redezeit von zehn Minuten können Sie genau einen Hauptpunkt herausarbeiten, nicht mehr. Identifizieren Sie also, was Ihr Publikum mitnehmen soll. Sie untermauern diese Botschaft dann mit drei oder vier Folien. Nehmen Sie nur Aspekte, die diese Hauptbotschaft unterstützen. Details können Sie gegebenenfalls in der Fragerunde erörtern – falls sich jemand dafür interessiert. 

„Es ist aber wichtig, dass ich alle Daten zeige. Vielleicht kann ich schnell ein paar Folien zeigen, ohne sie zu erklären“, schlägt Mathieu vor. „Wie ein Bilderbuch ohne Text, dafür mit langweiligen Bildern?“ frage ich. Mathieu seufzt. „Und wenn ich die einleitende Geschichte kürze?“ 

Wenn das Publikum die Frage und die Relevanz Ihrer Forschung nicht versteht, wird es innerhalb der ersten Minute aussteigen. Es muss Ihnen nicht zuhören. Sie müssen Ihre Zuhörerschaft davon überzeugen. Das tun Sie, indem Sie einen eingängigen Anfang für Ihre Geschichte finden: Was trägt Ihre Forschung zu dieser Welt bei? „Wenn Sie diese Einleitung wegnehmen, dann können Sie Ihren Vortrag genauso gut vor Ihrem Badezimmerspiegel halten.“ 

Mathieu will mit seiner Präsentation beeindrucken, ignoriert aber die Wünsche des Publikums. Aber genau das Publikum steht im Mittelpunkt dieser zehn Minuten. „Denken Sie an dieses und nicht an sich selbst”, schließe ich. „Dann haben beide Seiten mehr davon.“

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 10/22 Die Reihenfolge im Lebenslauf

„Schreibe ich meine Bewerbungsunterlagen eigentlich chronologisch oder gegenchronologisch?“, erkundigt sich Valeria in einem Bewerbungsworkshop. „So wenig wie möglich“, entgegne ich, was dem Wunsch nach einer einfachen Antwort sichtlich nicht genügt. Ich schiebe nach: „Für die Teile, wo es denn sein muss, also Berufserfahrung und Ausbildung: Gegenchronologisch, also von den aktuellen Teilen zu den älteren.“ Es erscheint logisch, die gesamten Bewerbungsunterlagen gegenchronologisch aufzubauen. Dieses Verlangen nach zeitlicher Ordnung hat allerdings Nachteile. 

Im Anschreiben erzählen Bewerbende oftmals die Highlights des Lebenslaufs in Aufsatzform nach, eine einschläfernde Fleißübung für die Leserschaft. Dabei ist das Anschreiben der Text, der am freiesten formuliert werden darf. Deshalb können Sie sich darauf konzentrieren, was Sie mit dem Arbeitgeber verbindet: „Von Frau Dr. Sanchez habe ich bereits vor drei Jahren auf der Analytica erfahren, dass Ihr Unternehmen …“ Dieses Satzfragment zeigt langfristiges, nachweisliches Interesse an einem Arbeitgeber, eine persönliche Verbindung sowie gute Fähigkeiten in der Dokumentation. Auch Schwächen lassen sich dort ansprechen: „Obwohl ich die geforderten fließenden Deutschkenntnisse noch nicht besitze, habe ich bereits zwei Fremdsprachen autodidaktisch auf B2-Niveau erlernt: …“ Damit verhindern Sie, wegen eines fehlenden Kriteriums vorschnell ausgesiebt zu werden. 

Auch im Lebenslauf können Sie sich teilweise von der Chronologie lösen. Nehmen wir an, dass Sie vor fünf Jahren eine Zusatzqualifikation erworben haben, die für den Arbeitgeber wie die Faust aufs Auge passt. Das geht in chronologischen Teilen leicht unter. Einem Glanzpunkt können Sie zu Beginn des Lebenslaufs in einer Aufzählung mit drei bis fünf Spiegelstrichen zu Sichtbarkeit verhelfen. 

Im Hauptteil des Lebenslaufs können Sie Ihren Lesern und sich einen weiteren Gefallen tun: Fassen Sie Ihre Fähigkeiten in einem Abschnitt zusammen. Dadurch werden die Beschreibungen im chronologischen Teil knapper, Redundanzen entfallen. Langweilige Listen wie Posterpräsentationen oder besuchte Workshops können Sie zu Beschreibungen von Fähigkeiten kondensieren. Vorteil: Die Fähigkeiten können Sie nach Belieben anordnen und dadurch Aspekte hervorheben, die für die Bewerbungsempfänger am interessantesten sind. Diese werden es Ihnen danken – hoffentlich mit einer Einladung.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 09/22 Wo Vielfalt zu erwarten ist

Wo ist die Diversität Ihrer Kolleg:innen höher: an der Hochschule oder in einem typischen Industriebetrieb?“ frage ich in die Runde eines Karriereworkshops. Ich erkenne an den Gesichtern, dass alle die Frage zu einfach finden. Nach einer Pause erbarmt sich Xavier: „In meinem Projekt arbeite ich mit Igor, Pranoti und Ah Lam zusammen. Meine Freundin arbeitet in der Industrie mit Max, Klara und Christian im Team. Das sind die Rohdaten; wo es diverser ist, weiß ich auch nicht.“ Wenn wir es bei der geografischen Abstammung belassen, hat Xavier recht: Bis auf Start-ups aus der Uni und einigen wenigen Großkonzernen, deren Teams tatsächlich so international sind, wie das Marketing uns verspricht, bietet die Uni ein internationaleres Umfeld. Ich hake nach: „Diversität ist aber ein breiterer Begriff. Wie sieht es denn mit den anderen Aspekten aus?“ Es gibt ja noch Interdisziplinarität, Bildungsgrad oder Alter. 

Wenn Sie Ihr Forschungsprojekt an der Uni als interdisziplinär bezeichnen, dann arbeiten Sie als Chemikerin beispielsweise mit einem Biologen oder einer Physikerin zusammen. In der Industrie wird das schlagartig breiter. Stellen Sie sich die intellektuelle Herausforderung vor, wenn Sie Ihre Ergebnisse mit einer Chefin diskutieren, die einen Abschluss in Jura oder Betriebswirtschaftslehre hat. 

Vom Bildungsgrad her ist die Uni das vermutlich am wenigsten diverse Arbeitsumfeld. Die meisten Leute, mit denen Sie während Promotion und Postdoc zusammenarbeiten, haben eine Promotion oder werden diese in absehbarer Zeit haben. In der Industrie haben Sie Kontakte zu Menschen mit unterschiedlichen Bildungsgraden. Auch das fordert Ihre Fähigkeiten zu kommunizieren. 

Schließlich das Alter: Abgesehen von Ihrem Betreuer oder Ihrer Betreuerin haben Sie an der Uni vorwiegend mit Leuten um die Dreißig zu tun. Auch hier bildet die Industrie ein breiteres Spektrum ab. Der Klassiker: die Uni-Absolventin, die Mitarbeitende führen muss, die 30 Jahre Berufserfahrung haben.
Zum Schluss komme ich auf Xaviers Aussage zurück: „Es klang so, als sähen Sie das internationale Umfeld als Pluspunkt der Uni.“ Falls Sie in die Industrie wechseln, das internationale Umfeld der Uni aber nicht verlieren möchten, dann sollten Sie eine Stelle in solchen Betrieben suchen, die international arbeiten. Wenn es Ihnen allgemein um ein diverses Arbeitsumfeld mit intellektuellen Herausforderungen geht, dann könnte in der Industrie eine Schatzkiste auf Sie warten.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 07-08/22 Addieren, nicht subtrahieren

„Wow Benjamin, da hast Du uns aber harte Arbeit serviert“, stöhnt Sven, als er die Bewerbungsunterlagen seines Kollegen überfliegt. Benjamin hat sich zwar an die Regel gehalten, dass ein Lebenslauf für den nichtakademischen Bereich maximal zwei Seiten umfasst, doch benötigte er einige Kniffe im Layout, um das zu erreichen: Schriftgröße 10, kein Zeilenabstand und schmale Seitenränder. „Wie sind Sie denn beim Schreiben vorgegangen?“, erkundige ich mich. „Ich habe vor Jahren einen Lebenslauf angelegt, den ich immer wieder erweitere, sobald sich etwas in meinem Berufsleben ändert. Dann kürze ich auf die gewünschte Länge.“ An Benjamins gequälter Miene sehen wir, dass das kein angenehmer Prozess ist. 

Eileen springt ihm zur Seite: „Ich finde das auch schwer. Ich hatte nicht mehr genügend Platz, um mein Forschungspraktikum in der Gruppe von Professor Gilg zu erwähnen.“ „Ist das schlimm?“, erkundige ich mich. „Aber sicher. Wer zu dem geht, kann sich durchkämpfen“, erklärt sie fast trotzig. 

Warum fällt es uns so schwer, Details wegzulassen? Denken wir wirklich, dass die ganze Welt weiß, wie es in Professor Gilgs Labor zugeht? Wohl kaum. Die Verhaltens- und Denkmuster aus dem wissenschaftlichen Studium und der Forschungsarbeit sitzen tief. Das ist gut so, um Forschung zu betreiben. Eine Bewerbung ist aber etwas anderes als eine Publikation. Ihre Leserschaft hat nicht unbegrenzt Zeit und Aufnahmevermögen für Ihre Bewerbung. Sie führen keinen Beweis. Denken Sie also nicht „Wie kann ich so viele Punkte unterbringen wie möglich?“, sondern „Wie kann ich das Signal-zuRausch-Verhältnis optimieren?“ Die zwei oder maximal drei Hauptaspekte, die Sie rüberbringen können, sind Ihr Signal. Mehr nimmt Ihre Zielgruppe kaum auf. Alles was dieses Signal unterstützt, etwa ein Erlebnis, das dieses positive Attribut greifbarer macht, darf mit in Ihren Lebenslauf. Alles andere ist in der Wahrnehmung Ihrer Leserschaft Rauschen und kann getrost weggelassen werden. 

„Noch ein kleiner psychologischer Trick, um diesen Prozess für Sie schmackhafter zu machen“, schließe ich diesen Teil des Workshops. Wegstreichen lieb gewonnener Teile unseres Lebens (-laufs) tut weh. Drehen Sie den Prozess um: Fangen Sie bei einem leeren Dokument an und addieren Sie die wichtigsten Punkte. Das fühlt sich besser an als subtrahieren.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 06/22 Bitte keine Wissenschaftler

Wir sind zu Gesprächen zwischen dem Landwirtschaftsministerium und Lobbyorganisationen eingeladen. Denn vor einem Jahr haben wir eine NGO mit dem Ziel gegründet, die Verwendung von Torf in den Niederlanden zu reduzieren. Nun haben wir einen parlamentarischen Antrag mitverfasst, ein Abgeordneter hat ihn eingereicht, und er wurde angenommen. Bei dieser Thematik spielt vieles hinein, in das wir uns einlesen und beraten lassen: Bodenkunde, Klimabilanzierung, Gartenbau, um nur einige zu nennen. Und nun sagt Gerrit, der uns bei allen Fragen rund um politische Prozesse berät, mit Nachdruck: „Ihr müsst dafür sorgen, dass bei den Gesprächen keine Wissenschaftler mit am Tisch sitzen.“ Das sitzt. Was meint er damit? 

Er schiebt nach: „Wissenschaftliche und wirtschaftliche Fakten sind die Basis für solche Gespräche. Doch wenn Wissenschaftler direkt mit am Tisch sitzen, dann wird das nichts. Die kommen nicht auf den Punkt.“ 

Wissenschaftler:innen sind nur in indirekten Rollen gern gesehen und streben nur selten von sich aus nach einer aktiveren Rolle. Das Ergebnis: Obwohl es in den Niederlanden haufenweise Wissenschaftler:innen gibt, die sich mit Mooren und Torfersatz beschäftigen, wurde das Thema jahrelang nicht mehr in der Öffentlichkeit kommuniziert. „Ich bin Wissenschaftlerin und keine Aktivistin“ oder „Bei dieser Zeitung kann ich nicht ausreichend Zitate einfügen“ sind typische Begründungen.

Wir sehen solche Muster immer wieder bei der Mehrheit der Wissenschaftler:innen. Probieren Sie es selbst – besuchen Sie eine Konferenz und fragen an einem Poster: „Können Sie mir den Inhalt näherbringen?“ In den meisten Fällen werden Sie mit einem Monolog übergossen, ohne dass Ihr Gesprächspartner nach Ihrem Hintergrund und Ihrem Interesse fragt. Geprägt durch Jahre intellektuell anspruchsvoller Arbeit in einem kompetitiven Umfeld etabliert sich für viele von uns eine Kultur des Schlau-sein-Wollens: Wir begreifen nicht, dass es Menschen gibt, für die das alles nicht selbstverständlich ist.

Verständliche Kommunikation über Ihre Arbeit ist keine Luxusaufgabe, sondern essenziell. Je höher Sie auf der Karriereleiter kommen, desto mehr müssen Sie mit Menschen sprechen, die Ihre Arbeit nicht verstehen. Wenn Sie Einfluss auf die Welt außerhalb Ihrer direkten Arbeit nehmen möchten, dann sollten Sie so kommunizieren, dass man Sie gerne am Tisch haben möchte.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

Heft 05/22 Ihre Rolle im Team

Ein Karriereseminar beginne ich mit den Parallelen zwischen Teamarbeit und Teamsport. „Denken Sie bitte ein paar Jahre in die Zukunft. Sie arbeiten auf einer Position und bei einem Arbeitgeber Ihrer Wahl. Verwenden Sie bitte die Funktionen in einem Sportverein als Analogie: Welche Position nehmen Sie ein?“ „Mittelfeldspielerin“, macht Ingrid den Anfang. „Ich bringe gerne Leute zusammen und suche dann nach den Verbindungen zwischen Arbeitsbereichen.“ Oleg nennt Verteidiger, weil „ich gerne eine Situation analysiere, um eine Strategie zu entwickeln.“ Anke kommt auf Mittelstürmerin, denn sie „würde gerne mit den Kund:innen arbeiten“ und vergleicht den Torschuss mit einem Verkaufserfolg.

„Interessant, vielen Dank“, schließe ich, „ich habe ja Sportverein, nicht Sportmannschaft gesagt. Möchte niemand Trainer oder gar Präsidentin des Vereins werden?“ „Ich denke, man wird im Berufsleben einfach irgendwann Führungskraft“, meint Manfred. Ich sehe an den Blicken der anderen, dass sie seine Aussage nicht ganz teilen. „In der Tat wächst Führungsverantwortung oft schrittweise“, sage ich. Allerdings ist es eine bewusste Wahl, ob man sich in Richtung Führungskraft oder Experte, etwa in der Forschung, entwickelt.

Egal ob als Teammitarbeiter:in oder als Leiter:in: Sie sollten sich darüber im Klaren sein, welche Rolle Sie gerade innehaben und was Sie möchten. Wenn Wunsch und Wirklichkeit zu weit auseinanderklaffen, wird die Zusammenarbeit schwierig. Wir alle kennen die Kronprinzen, die ohne Führungsposition versuchen, die Zügel an sich zu reißen. Ich frage in die Runde: „Gibt es auch das Gegenstück zum Kronprinzen?“ „Also eine Führungskraft, die keine sein möchte?“, erkundigt sich Ingrid. Ich nicke. „Das Gefühl habe ich manchmal bei meinem Doktorvater – ein Mikromanager, der am liebsten jede Reaktion noch selbst ansetzen würde.“ Sie schildert, wie demotivierend das ist und wie sehr er dadurch seine eigentlichen Aufgaben vernachlässigt. „Es fühlt sich an, als würde er uns nicht vertrauen.“

Reflektieren Sie Ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen. Welche Rolle möchten Sie gerne einnehmen, wo sehen Sie Ihre Stärken am besten eingesetzt? Wenn Sie sich dann nicht sicher sind, ob eine bestimmte Menge an Führungsverantwortung zu Ihnen passt, ist das kein Problem. Außer an der Hochschule ist es möglich, zwischen Management- und Expertenrolle zu wechseln.

Philipp Gramlich, p.gramlich@naturalscience.careers

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zuletzt geändert am: 19.04.2023 13:11 Uhr von A.Miller