Marika Geldmacher-von Mallinckrodt

Marika Geldmacher-von Mallinckrodt (1923-2016): Ein Gespür für Gifte

Marika Geldmacher-von Mallinckrodt

Sie war Professorin an der Universität Erlangen, hatte zwei Doktortitel und fünf Kinder: Der Toxikologin Marika Geldmacher-von Mallinckrodt gelang unter anderem der Nachweis von Spuren des Insektizids Parathion im Blut, einem einst verbreiteten Mittel für Morde.

Marika Geldmacher-von Mallinckrodt (geb. Mallinckrodt-Haupt) kam am 28. April 1923 in Potsdam zur Welt. Sie war das älteste von fünf Kindern des Oberförsters Johann Dietrich von Mallinckrodt und der bekannten Hautärztin Asta von Mallinckrodt-Haupt (1896-1960), die 1941 Deutschlands erste Dermatologieprofessorin wurde. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, befand sich Marika mit einem ihrer Brüder auf Besuch bei der Großmutter in Bamberg. Ihre Mutter hielt sich gerade in den USA auf und der Vater entschied, dass die beiden Kinder wegen des Krieges nicht nach Köln, wo die Familie damals lebte, zurückkehren sollten. So legte die fast 17-Jährige im März 1940 ihr Abitur am Neuen Gymnasium in Bamberg ab. Anschließend wurde sie zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Sie träumte von einem Medizinstudium, hätte dafür aber vier Wochen länger Arbeitsdienst leisten müssen, was ihr überhaupt nicht behagte. Daher studierte sie ab 1940 Chemie in Köln und München. 

Im Dezember 1942 lernte sie den promovierten Bauingenieur Herbert Geldmacher kennen, den sie 1943 heiratete. Ihre Diplomprüfung legte Geldmacher-von Mallinckrodt 1944 in München ab. Die nachfolgende Promotion kam allerdings nicht recht voran. Zum einen hatte die junge Chemikerin mittlerweile ihr erstes Kind bekommen, zum anderen verschlechterten sich die Arbeits- und Lebensbedingungen in München, da sowohl das chemische Institut als auch die Wohnung durch Bomben schwer beschädigt wurden. 

Geldmacher-von Mallinckrodt floh mit ihrem Kind zur Großmutter nach Bamberg, wo 1945 ihr zweites Kind zur Welt kam. An der Universität Erlangen unternahm sie einen erneuten, diesmal erfolgreichen Promotionsversuch bei Alwin Meuwsen, einem bekannten anorganischen Chemiker. Er soll gesagt haben: „Die Frau Geldmacher, die hat mich vielleicht hintergangen, sie hat mir verheimlicht, dass sie zwei Kinder hat! Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich sie nicht genommen.“ Am 1. Juli 1948 wurde Geldmacher-von Mallinckrodt der Doktortitel verliehen. 

Da es damals aus ihrer Sicht in der chemischen Industrie außer in den Bibliotheken keine Stellen für Chemikerinnen gab, schrieb sich Geldmacher-von Mallinckrodt 1949 zum Medizinstudium an der Universität Erlangen ein. Im Juli 1954 wurde sie erneut promoviert, diesmal in der Medizin. Im selben Jahr brachte sie ihr drittes Kind zur Welt, 1957 das vierte und 1966 das fünfte. Offensichtlich gelang es der zweifachen Doktorin, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Von 1954 bis 1963 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Erlangen, zuletzt am Institut für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik. 1964 wurde ihr die Lehrberechtigung für das Fach Gerichtsmedizinische Chemie erteilt, sechs Jahre später erhielt sie eine Professur und 1978 schließlich einen C3-Lehrstuhl. 

Geldmacher-von Mallinckrodt baute das gerichtsmedizinische Institut der Universität Erlangen, an dem sie insgesamt 25 Jahre wirkte, mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu einem wichtigen Zentrum für klinisch-toxikologische Analytik aus. Große Anerkennung erntete sie für die Entwicklung des Nachweises von kleinsten Mengen des Insektizids Parathion (E 605) im Blut, einem einst verbreiteten Mittel für Morde und Selbstmorde. Neben der forensischen Toxikologie sowie der forensischen und klinisch-toxikologischen Analytik zählte die Ökogenetik zu ihren Forschungsschwerpunkten. Das Fach beschäftigt sich mit den genetisch bedingten Reaktionen des menschlichen Organismus auf Umwelteinflüsse. 

Im Jahr 1985 wurde Geldmacher-von Mallinckrodt emeritiert. Mehr als 130 Publikationen sowie zahlreiche Lehrbücher zeugen von ihrer wissenschaftlichen Schaffenskraft. Für ihre Forschungsergebnisse in der Analytik und Toxikologie erhielt sie 1987 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Marika Geldmacher-von Mallinckrodt verstarb im Alter von 93 Jahren am 23. Dezember 2016 in Erlangen.

Quellen


Hinweis
Die in dieser Reihe veröffentlichten Texte erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Autoren und andere beteiligte Personen sind keine wissenschaftshistorischen Expertinnen und Experten. Zweck der Reihe ist es, die meist unbekannten Chemikerinnen vorzustellen und an die bekanten Chemikerinnen zu erinnern. Leserinnen und Leser, die mehr wissen wollen, möchten wir ermutigen, wissenschaftliche Quellen zu den vorgestellten Frauen zu studieren. In einigen Fällen gibt es ausführliche chemiehistorische Arbeiten.

Autoren
Prof. Dr. Eberhard Ehlers
Prof. Dr. Heribert Offermanns 

Redaktionelle Bearbeitung 
Dr. Uta Neubauer

Projektleitung
Dr. Karin J. Schmitz (GDCh-Öffentlichkeitsarbeit)

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Foto: Marika Geldmacher-von Mallinckrodt, aus Chemikerinnen – es gab sie und es gibt sie,, Broschüre der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), 2003, S. 32

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zuletzt geändert am: 16.04.2021 11:37 Uhr von N/A